Das Planetenschloss

Das Planetenschloss

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Der Himmel, der sich über die ockergelbe Wüste wölbte, hatte die Farbe eines Röhrenfernsehers, auf dem ein Raumschiff durch ein Videospiel glitt, während zwischen den Credits die ersten Sterne aufblinkten.

Reinhard dachte daran, wie er als Kind ein BASIC-Programm abgetippt hatte, das zufällig verteilte Schneeflocken über den Himmel wirbeln ließ. Wenn er nach der Schule nach Hause gekommen war, hatte er sich Essen warmgemacht und die Zeit genossen, die er ohne Eltern und Geschwister vor dem Computer verbringen durfte. Oft hatte er gespielt; fast immer Games, die ihm Zutritt zu fremden Welten gewährten. Ultima 6, in dem der Avatar mit Blitz und Donner aus unserer Welt nach Britannia gerissen wurde, hatte er am meisten geliebt. Genau so oft aber hatte er das kurze Programm angeworfen und in den Sternchensturm gestarrt, bis ihm schwindelig wurde.

Er blieb stehen und schloss die Augen, bis sein Gleichgewichtssinn sich wieder normalisiert hatte. Beim Absturz hatte er sich irgendeine Verletzung zugezogen, wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung. Vielleicht kreisten seine Gedanken deshalb so, während er sich mühevoll durch den Sand arbeitete. Der Anzug schützte ihn vor der Kälte, die Luft konnte er ohne Filter atmen, aber jeder Schritt kostete ihn Kraft. Er öffnete die Augen, wischte sich die Tränen weg und warf einen Blick zurück.

Das Wrack seines Raumschiffs war nur noch ein Punkt in der Ferne. Urzeit-Instinkte meldeten sich in seinem Hinterkopf. Bleib da. Geh nicht weg. Aber der jüngere Teil seines Gehirns sagte ihm, dass er in der vermeintlichen Sicherheit des Gleiters langsam, aber sicher zugrunde gehen würde. Er blinzelte, drehte sich um und hob das Fernglas. Das Schloss. Anders konnte er die Formation nicht bezeichnen, die sich am Horizont erhob. Genau genommen wirkte sie, als seien mehrere Schlösser ineinander gekracht. Ein Gewirr aus Türmen, Zinnen, klaffenden Öffnungen, spitzen, verdrehten Dächern, schwarzen Fensterscheiben, die dann und wann aufblitzten, ob vom Licht unsichtbarer Sterne oder von innen erleuchtet, wusste er nicht.

Das Ganze konnte ein bizarres Naturphänomen sein. Reinhardt hatte keinen Zugriff auf die Computerdaten mehr, und ohnehin war über diesen Himmelskörper nichts bekannt. Aber weit oben an den Turmspitzen – oder dem, was er dafür hielt – konnte er eine Bewegung ausmachen. Ob es Vögel waren, Flugechsen, Rieseninsekten oder doch nur Steine, die von gewaltigen Aufwinden herumgewirbelt wurden, wusste Reinhardt ebenfalls nicht. Aber das Schloss war der einzige markante Punkt auf dieser fremden Welt.

Er schulterte den Rucksack und stapfte weiter darauf zu. Bald begannen seine Gedanken wieder zu kreisen wie bunte Schlangen, die um seine Beine spielten, während er einen Stiefel vor den anderen setzte. Er war noch so sehr bei Sinnen, dass diesem Bild die Überlegung hinterhertrudelte, wie absurd der Vergleich war.

So weit war er gekommen, dachte er. Durch die Zeit gereist, in einer fernen Zukunft ein neues Leben begonnen, das All durchquert, neue Welten betreten und hier war er nun. Tiefkühlpizza, ein ächzender PC, Ultima 6 und ein BASIC-Schneegestöber, das war der sichere Ort, zu dem er in Gedanken über Zeit und Raum hinweg zurückkehrte.

Der Schatten des Metallvogels glitt über ihn, bevor ihn die Klauen an den Schultern packten. Er warf den Kopf in den Nacken, sah ein Gefieder aus Messern und Rost, schmeckte Blut und hörte das Auffächern der Klingen, den Schrei der Kreatur, als kratzte ihr Schnabel über die kalte Luft.

Unter ihm wurde alles kleiner, kleiner, das Achterbahngefühl seiner Kindheit, ein bezauberndes, bedrohliches Schweben, als der Vogel ihn fallen ließ, dann der Sturz und das Rasen der Wüste, die vielen Sandkörner, eine breitere, harte, alles füllende Fläche, die ganze Welt.

Er hatte die ganze Welt gesehen. Der Boden schlug ihn mit Masse und Schwerkraft tot.

Der Vogel schrie und kreiste. Lautlos näherte sich sein Herr und stieß Reinhardt mit der Stiefelspitze an.

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