Das Planetenschloss 10

Das Planetenschloss 10

[Von Anfang an lesen]

Loris Welt kippte, wirbelte, zerfloss im Bunt des Marktes. Gerüche und Geräusche rissen ab, Schreckensschreie angesichts der auf Flammenstrahlen dahindonnernden Mecha. Im Bauch des Kindes stachen Dolche. Der Schmerz zog bis in die Lungen: Kein Halt, Flug, plötzlich aufrecht und Guckenkönnen! Seondeok hatte Lori durch die Luft gewirbelt und aufrecht in die Hand genommen. Das Kind klammerte sich an Lacksplitter. Schmerzen an den Händen, Metall im Mund, Donnern, Rauch, Brandgeruch, Öl und heißes Metall. Luft sauste vorbei und riss Tränen aus den Augen.

Verschwommen öffnete sich die Höhlendecke zu violettem Himmel und sandfarbenen Monden. Vermummte Gesichter, die sich rasch zurückzogen. Sand schoss über die Ränder der Öffnung. Lori senkte eilig den Kopf und bekam doch Körner in die Augen. Das Kind blinzelte, blinzelte, rieb mit der Faust und packte schnell wieder die größere Faust der Mecha. Sie zogen hoch über der Wüste dahin. In der Ferne das Schloss, schwarz, gezackt, mit durcheinandergeworfenen Formen. Es breitete sich aus, zerfloss, schluckte den Horizont und reckte Arme aus Türmen, Erkern, Vorsprüngen, Mauern, Säulen und Fenstermäulern, die grünes Licht spien. Schneller und schneller riss es die Wüste an sich und in sich hinein, fraß Sand, Wind, Himmel und Licht und holte selbst die Monde vom Himmel. Die Mecha mit dem Ritter und dem Kind wurde gepackt und eingesaugt.

              Lori wandte sich um schrie Herrn Terramar hinter der verkratzten Pilotenkuppel zu: „Sie müssen umdrehen! Wir halten direkt auf das Schloss zu!“

              Ein Kabelbündel schlängelte sich den Arm der Mecha entlang, stand in der tosenden Luft und stieß dann zu. Lori zuckte zurück, ein Aufprall, ein kurzer Schmerz. Seondeoks Stimme erklang durch die Verbindung an ihrer Schläfe direkt in ihrem Kopf. „Genau da wollen wir auch hin. Mit dir werden wir es schaffen.“

              „Mit mir?“ Loris Mund formte noch die Worte, als sie schon begriff, dass sie nur zu denken brauchte. „Niemand kann das Schloss betreten. Die Wächter …“ Herr Terramar schaltete sich in ihre Gedanken ein. „Die Wächter lass unsere Sorge sein. Nach ihnen lauern größere Gefahren. Und ich glaube fest, dass du das Kwan hast, um mit ihnen fertig zu werden.“

              „Ich habe überhaupt nichts! Die Wächter haben mich mehr als einmal aus dem Umkreis des Schlosses vertrieben. Sogar meine Dada fürchtet sich vor ihnen.“

              „Vertrau ihm.“ Seondeoks tiefe Stimme war inmitten des Dröhnens ihrer Maschinen kaum zu vernehmen. Lori ahnte, dass diese Worte nur für sie bestimmt und von Herrn Terramar abgeschirmt waren. „Er mag ein Sklavenhalter sein, aber er vermag das Kwan zu lesen wie kaum ein anderer. Wenn wir diesen Weg mit ihm gehen, haben wir noch früh genug Gelegenheit …“

              „Festhalten!“ Das war der Ritter. Die Welt kippte. Lori hing bauchunter über dem ockerfarbenen Sand. Etwas Grünes zerschnitt die Luft unter ihr, dreieckig, verwaschen, verfolgt vom eigenen an- und abschwellenden Kreischen. Ein zweites folgte, ein drittes. Striemen blitzten seltsam träge an der Mecha vorbei. Erneut kippte die Welt, und die grünen Dreiecke trudelten zur Seite. Lori sah den Tintenhimmel, die zerfressenen Reste der Monde über dem hungrigen Schloss, wirbelte weiter, sah noch, wie die Striemen ins All flossen. Schon hing sie wieder über Sand und Wind, wo die grünen Geister splitterten, auseinanderfielen, davontrudelten, und im Wegtreiben weitere grüne Ölspeere nach ihnen schleuderten. Seondeok wich nach rechts, links, oben aus. Das Grün zischte mit Ozongestank an ihnen vorbei, der sich mit dem Geruch verbrannter Haare mischte. Die Dreiecke verknäulten sich mit dem eigenen Kreischen, durchstießen es, gellten lauter. Seondeok bebete, riss den Arm hoch, und ein Donner schüttelte die Welt, der alle Geräusche und Farben betäubte. Lori kniff die Augen zu. Als sie wieder hinsah, trudelte eins der Dreiecke zu Boden, gefolgt von einer Rauchfahne und panischerem Kreischen, das die schimmernde Form erst erreichte, als sie schon zerschellte. Das Kreischen zerspritze, zog Feuerarme hinter sich her, wurde bebender Grund, Grollen und Fetzen.

              Lori starrte erschreckt und fasziniert in das Inferno. Zu spät bemerkte sie, dass eins der Dreiecke vom Rand in ihr Gesichtsfeld schnitt und mit bösem Funkeln ein träges, unfehlbares Geäst nach ihr reckte.

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