Das Planetenschloss 27

Das Planetenschloss 27

Die Woke sinkt zu Boden. Mit dem Wechsel der Temperatur fällen sich Lori-Teile, Kwan-Partikel, Seondeok-Ströme aus und eilen voran, holen sich ein, vermengen sich zu neuen Kombinationen. Es ist der erste Regen seit Jahrhunderten, der von der Stadt der Wolkenleute auf das Ruinenfeld in der Wüste niedergeht.

Eine abgebrochene Säulen ragt aus rostrotem Sand. Erst ein Tropfen, dann zwei, dann viele klatschen auf das Relief, rinnen über Gesichter, Hände, Werkzeuge und Schriftzeichen, die niemand mehr entziffern kann. Nahrung, Wasser, Geburt und Tod, die Göttinnen, die den Fortbestand verkörpern, die Königinnen, die ihn garantieren sollen, die ganze Ordnung eines untergegangenen Lebens wird durch die Rinnsale der Wolke aus Lori, Herrn Terramar und Seondeok noch einmal zum Leben erweckt. Die Sonne zerrt am Wasser, und die Tropfen flüchten in die Risse, die ins Innere des Steins führen, in die unterirdische Grabkammer.

Dort sammeln sie sich an der Decke, wo abgeplatzte Farben zeigen, wie die Seelen der Verstorbenen im Jenseits gewogen werden. Als die Tropfen genügend Gewicht gewonnen haben, lösen sie sich, fallen, reißen ein paar Sporen mit, und landen mit einem „Ping!“ auf den Grabbeigaben, kostbaren Trinkgefäßen aus Legierungen, deren Rezeptur und Grundbausteine auf diesem Planeten längst verloren sind, auf Sarkophagen, auf den weniger prächtig eingesargten Mumien von Reittieren, Sklaven, Beutetieren von Fremdplanten und wabernden Präsenzen in Spannungsfeldern, die Kosmographen mit zögerndem Schrittt aus anderen Dimensionen mitgebracht haben, auf magischen Kristallen, Waffen, Ringen und Amuletten.

Die Rinnsale vereinigen sich, angereichert mit Zellmaterial dieser und anderer Welten, aufgeladen mit Magie. Nanobots, die sich an der kinetischen Energie der Rinnsale aufladen, strudeln in mikroskopischen Kreisen umher. Durch Risse im Boden sickert das Chaos aus Lori, Terramar, Seondeok und Spuren alten Lebens ins Erdreich, bahnt sich den Weg durch Sand und Lehm, vorbei an den toten Wurzeln der Bäume, die hier wuchsen, als das Tal noch fruchtbar war, durch poröse Knochensplitter der Heere, die der Stadtstaat an der Oberfläche zermalmte, als er das Tal eroberte, bis in den Felsengrund und in die Kavernen darunter.

Hier bedeckt Staub den Boden, die zerfallenen Reste der sechsbeinigen, chitingepanzerten Bio-Maschinen, die von einem Planeten in der Umlaufbahn einer längst erkalteten Zwillingssonne am anderen Ende der Galaxis als Sonden und Vorboten hierhergeschickt wurden, als die Talbewohner, die von den Erbauern des Ruinenfelds vernichtet wurden, sich noch nicht erhoben hatten.

Das Wasser durchtränkt den Staub, die Nanobots assimilieren die magische Energie, die sie in dem Gemisch finden, lesen die Gen-Bruchstücke der Sechsbeiner, kombinieren sie mit den Sporen und Hautfetzchen aus den Gräbern, tasten nacheinander und verbinden sich zu einem organisch-mechanisch-magischen Geflecht, das, erst langsam, dann immer schneller Berechnungen ausführt, Bewusstsein entwickelt, Funktionseinheiten ausbildet, die visuelle, akustische und thaumaturgische Signale der Umgebung verarbeiten, und schließlich eine speziell daran angepasste Energiegewinnungs- und Umsetzungseinheit formen, die sich über die Kavernen auszubreiten beginnt.

Als Lori, Seondeok und Herr Terramar die eigene Form wiedergewinnen, stehen sie in einem blauschimmernden Pilzwald, den ein leises Summen erfüllt. Die Pilzhüte tragen Ahnungen von Gesichtern.

Misstrauisch sehen die drei sich an und fahren sich verstohlen über die Gliedmaßen.

„Alles klar bei euch?“, fragte Herr Terramar.

Langsam nickte erst die Mecha, dann das Kind.

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