Das Planetenschloss 5

Das Planetenschloss 5

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„Nein!“ Das Kind stürzte auf die Kabuki zu. Die Hexe trat ihm in den Weg. Obwohl das Kind inzwischen fast so groß war wie sie, war ihm der Respekt vor der Pflegemutter so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass es innehielt, wenngleich es verzweifelt an ihr zerrte. „Ich weiß, dass du das Tier geliebt hast“, zischte die Hexe. „Aber wenn sie das Blut mitnehmen, dann ist das das beste, was uns passieren kann. Das Schloss ist auf der Suche nach dem Geist dieses Außerweltlers. Und den Geist zieht es offensichtlich zum Schloss. Wer weiß, was sich hinter dieser Geschichte verbirgt. Du und ich, wir wollen da nicht hineingezogen werden. Überlass das den Händlern. Um den Kadaver kümmere ich mich.“

Schluchzend ließ sich das Kind auf ein Kissen sinken. Einer der Kabuki verstaute das Fläschchen unter vielen Dankesgesten in seinem weiten Gewand. Der andere nahm aufbereitetes Wasser und Tirak auf einem Tablett aus kostbarem Kunststoff entgegen. Beide ließen sich im Schneidersitz zum Essen nieder. Die Hexe gesellte sich zu ihnen und versenkte nach einem kurzen Gebet den Kadaver das Metallvogels in ihrem Schlund, indem sie den Kiefer aushakte. Das Kind wischte sich über die Wangen und warf den Drei trotzige Blicke zu.

Schließlich verabschiedeten sich die Händler. Den Preis für das Blut, drei Schnüre mit verschnörkelten Knoten, ließen sie auf den Tisch zurück. Die Hexe legte die Hand mit den geborstenen Krallen darauf und neigte den Kopf.

Das Kind sprang auf, als die Gäste durch die Röhre nach oben kletterten. „Ich komme mit!“

„Sei nicht albern.“ Die Hexe schob die Knotenschnüre in die weiten Ärmel ihres Gewandes. „Dein Vogel lebt nicht mehr. Willst du ein Phiole voller Blut streicheln? Wird etwas Wasser und Eisen dir Ohrenmäuse apportieren?“

„Ich will wissen …“ Das Kind zögerte. „Wohin bringt ihr es?“, fragte es den zweiten Kabuki, der bereits den Fuß auf die Leiter gesetzt hatte, um seinem Kameraden zu folgen. Der Händler musterte das Kind über die Schulter hinweg. Die Linsen vor den Augen schimmerten unergründlich. Er legte die freie Hand auf die Brust, und ein leises Klicken war zu hören.

„Nach Ka’naa“, sagte er. Die Stimme aus seiner Brust klang monoton und metallisch. Offenbar hatte er einen Sprachsynth aktiviert. Die Hexe sog scharf die Luft ein. Die Kabuki bedienten sich nur selten gesprochener Sprache, und ihre verborgene Stadt war nicht mehr als ein Gerücht.

„Ich komme mit euch!“

„Nein.“ Der Kabuki legte dem heranstürmenden Kind die Hand auf die Brust. „Ein Sturm kommt auf. Du würdest es nicht überleben. Die Naninten tanzen und singen heute Nacht.“

Die Hexe schloss die Augen und hob die Hände mit den Innenflächen gegen das Gesicht, während sie auf die Stimmen der Wüste lauschte. „Er hat recht“, sagte sie. „Es sind zwei Wirbel. Und sie kommen rasch näher. Du bleibst.“

„Und würdest du Ka’naa betreten, müssten wir dich töten.“ Der Kabuki versetzte dem Kind einen leichten Schubs, der beinahe etwas Freundliches hatte. Dann wandte er sich um und folgte seinem Reisegefährten.

Oben schloss er die Luke hinter sich und richtete sich auf. Die beiden Nanitenwirbel tobten durch die Nacht und wälzten sich brüllend auf die Kabuki zu. Die Luftmassen rissen alles mit, was ihnen in den Weg kam, und formten tosende Türme aus Gesang und Kälte. Die unzähligen winzigen Metallwesen, die in rasendem Chor durch die Wüste stürmten, sangen und sangen in ziellosem, irren Chor.

Man wird erfahren, was war

Jahr um Jahr

Licht und Impuls

Aus weiß wird blau

Du weißt es genau

Strahl um Strahl

Nou’an zu Nou’us

Dort wird unsere Reise enden

Im Wind, im Wandel

Wirst du dich wenden

Da und und nur da

Man wird erfahren, was war …

Die Gewänder der Kabuki begannen zu flattern. Die Umrisse der beiden Händler verschwammen mit der Nacht, mit Sternenlicht und wirbelndem Sand. Sie nickten sich zu und traten mit einem Schritt in den Wirbel, der sie zuerst erreichte, wo sie Tritt um Tritt von Strömung zu Strömung in die Höhe stiegen, Teil des Tosens und Reiter des Sturms, auf dem Weg durch die Wüste ins heilige Ka’naa.

Als der zweite Wirbel die Luke zur Hexenhöhle erreichte, öffnete sich der Tunnel einen spaltbreit.

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