Das Planetenschloss 7

Das Planetenschloss 7

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Das Kind schlug auf, inmitten von Lichtern, Maschinenstampfen, Stimmgewirr, Musik und dem Dampf von Wasserpfeifen, auf einem Luftkissen, das sich langsam, langsam, senkte, und lag und atmete aus und ein und starrte an die Decke der gewaltigen Höhle, wo sich ein Rechteck flirrend vor Sandsturm und Naniten schloss.

Jemand packte es grob an der Schulter und riss es in die Höhe. Spiegelnde Augenscheiben, Höcker unter dem Turban, Klauen aus den Tiefen flatternder Kleidung: ein Kabuki, der andere mit verschränkten Armen im Hintergrund. Das Kind wollte sich losreißen, aber der Griff des verhüllten Händlers war unbarmherzig, während er mit der freien Hand die flatternden Bewegungen seiner Zeichensprache vollführte.

„Ich kann nicht … ich weiß nicht …“ Das Kind trat nach dem Kabuki. „Lass mich los! Ich will es wiederhaben. Ihr habt das Blut von meinem Vogel gestohlen!“

„Was würdest du denn damit anstellen?“ Der Neuankömmling trug das Gesicht offen. Er war in eine Robe aus schimmerndem Stoff gehüllt, die keinerlei Verschmutzung aufwies, obwohl die weißen Haare, die er zu einem Zopf gebunden trug, und die faltigen Züge mit Öl und Sand befleckt waren. Lautlos und ohne Ankündigung war er aufgetaucht und schob sich nun zwischen das Kind und den Kabuki. Auf einen Wink seiner Hand hin gab der Händler sein Opfer mit einem Stoß und einem Knurren frei. Die sehr weiße Hand verschwand gleich darauf wieder im gegenüberliegenden Ärmel der Robe.

„Ich hätte ihn wiederbelebt.“ Das Kind starrte trotzig von unten herab.

„Hm.“ Der Fremde lächelte. „Einfach so? Bist du eine Hexe?“

„Nein. Aber meine Dada.“

Der zweite Kabuki trat aus dem Hintergrund und zog die Phiole mit dem Blut des Metallvogels aus dem Gewand. Er sprach mit der freien Hand. Der Fremde nickte, ohne das Kind aus den Augen zu lassen. „Natürlich. Ihr sollt euren Lohn bekommen, ehrenwerte Herren.“ Erneut kam die Hand aus dem gegenüberliegenden Ärmel zum Vorschein. Diesmal zog sie einen Credstick hervor. Phiole und Stick wechselten den Besitzer. Die weiße Hand kehrte in den Ärmel zurück.

„Geben Sie das her!“ Das Kind machte einen Schritt auf den Fremden zu. „Das gehört mir!“

Der Fremde wich keinen Deut zurück. Allerdings hob er die Augenbrauen. „Also haben diese Kabuki deinen Vogel getötet und dir das Blut gestohlen?“

„Nein.“ Das Kind biss sich auf die Lippe. „Meine Dada hat es ihnen verkauft. Und er war schon tot. Sie hat ihn getötet.“ Das Kind starrte auf den Boden.

„Warum das?“ Der Fremde legte den Kopf schief und schien ehrlich interessiert.

„Er war vergiftet. Irgendwie. Er hatte etwas gefressen. Draußen in der Wüste. Aas.“

„Das muss ein besonderer Kadaver gewesen sein, wenn eine Wüstenhexe vom Trundor ein Tier deshalb tötet, und es nicht einmal wiederbeleben will.“ Der Fremde warf den Händlern einen Blick zu. „Und diese Herren waren rein zufällig vor Ort?“

Die beiden Kabuki ließen eilig die Hände fliegen, aber das Kind sagte laut: „Ich glaube nicht. Das Telefon hatte geklingelt. Es war …“ Das Kind zögerte. „Es war das Schloss.“

Der Fremde nickte, als sei ihm ein ohnehin gehegter Verdacht bestätigt worden. „Die Gilde der Kabuki verfügt über ausgezeichnete Abhörsysteme. Wie übrigens auch mein Orden.“

„Was denn für ein Orden?“ Das Kind blickte sich um und stellte die Frage halblaut. Mit halb geöffnetem Mund verfolgte es das Treiben in der Umgebung. Die Höhle war voll mit Kabuki, die hier, zwischen den Zelten, Tieren, Teppichen, Musikgruppen, Räucherwaren, den Auslagen zahlloser Geschäfte, inmitten des Schreiens, Flüsterns und Lachens der Feilschenden und dem Dröhnen startender und landender Gleiter keine Kapuzen mehr trugen.

„Sie sind alle unterschiedlich!“ Das Kind steckte den Finger aus, und ließ ihn wieder sinken. Es hätte überall hin zugleich zeigen müssen. „Die Kabuki. Sie sind gar kein Volk …“

„Doch.“ Der Fremde lachte. „Und doch sind sie alle verschieden. Sie bereisen die gesamte Galaxis, wandern unerkannt von Ort zu Ort und treiben Handel mit allem, was sie finden. So auch hier in Ka’naa. Das ist ihre Basis auf deinem Planeten. Sie handeln übrigens auch mit Geheimnissen. Wir sind wirklich nicht allzu verschieden, sie und ich. Meine Name ist Terramar. Förmlich nennt man mich Herr Terramar von der Linken Hand. Aber Terramar genügt. Und wer bist du, du Ziehkind einer Wüstenhexe?“

„Lori.“ Das Kind hatte noch immer keinen Blick für den Fremden übrig. Die Augen sprangen hin und her, von einem vogelköpfigen Kabuki auf einem tuckernden Fluggleiter über den blauhäutigen Rüsselträger, der auf einer schwebenden Plattform ein Blasinstrument bediente, hin zu der Schlangenhaarigen, die mit Tätowierungen übersät war, nur um sich dann im Gewimmel zu verlieren. Erst dann hielt sich sein Blick an Herrn Terramar fest.

„Es sind so viele. Warum wusste ich davon nichts? Und was wollen sie alle hier?“

„Es sind viele, aber noch längst nicht alle. Trundor, dein Heimatplanet, ist gefährlich, und birgt doch viele wertvolle Geheimnisse. Mit ihnen können Kabuki gutes Geld machen. Sie gehören zu den wenigen, die sich von außerhalb hierher trauen.“

„Was denn für Geheimnisse? Von Außerhalb? Und Sie? Sind Sie denn kein Kabuki? Was ist denn das für ein Orden, dem sie angehören?“

Herr Terramar lachte. „ Du hast viele Fragen. Ich will sie dir beantworten, so gut ich kann.“

„Und geben Sie mir dann das Blut wieder?“

„Nein.“ Herr Terramar schüttelte den Kopf. „Aber ich werde dir zeigen, wofür ich es brauche. Wir Kwan-Ritter lernen etwas von jeder Welt, die wir besuchen. Und unsere Mecha wachsen mit unseren Reisen.“

„Was ist denn ein Kwan-Ritter? Und was ist ein Mecha?“

Herr Terramar wandte sich an die Kabuki, die das Gespräch stumm verfolgt hatten. „Das Kind nehme ich ebenfalls“, sagte er. Die Hände der Kabuki flatterten erfreut. Ein weiterer Credstick wechselte den Besitzer.

„He, was soll das?“ Das Kind wich einen Schritt zurück.

Herr Terramar sah es ungerührt an. „Ich habe dich gekauft.“

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