Das Planetenschloss 8
„Sie können mich nicht kaufen.“
„Das kann ich und das habe ich bereits. Du gehörst mir wie mein Mecha oder diese Phiole mit dem Blut deines Vogels. Komm jetzt.“
Das Kind drehte sich um und wollte weglaufen. Herr Terramar hielt es am Arm fest. „Das würde ich lassen.“ Ein Fremder mit Insektenaugen drängelte sich an ihnen vorbei, ohne von der Auseinandersetzung Notiz zu nehmen. Über ihnen wirbelte der Rauch der Wasserpfeifen und bildete seine eigenen Muster. Die Musik spielte weiter.
Das Kind zerrte, trat und versuchte zu beißen. Der Kwan-Ritter erwies sich als erstaunlich stark, obwohl Haar und Bart von weißen Strähnen durchzogen waren. „Ich tue dir eine Gefallen“, sagte er ungerührt. „Als Bewohner eines gesetzlosen Planeten hast du im Inneren Raum keinerlei Rechte. Und hier in Ka’naa gilt das Recht der Kaiserin. Als Eindringling bei den Kabuki ist dein Leben nichts mehr wert. Im besten Fall hätten meine beiden Geschäftspartner noch versucht, dich als Faustpfand gegen deine Ziehmutter einzusetzen. Und ohne Lösegeld hätten sie dich an einen Herren verkauft, bei dem dich ein weit schlimmeres Schicksal erwartet hätte. Oder sie hätten dich gleich getötet und deine Organe an ein nelophitisches Restaurant verkauft. Also gib jetzt Ruhe, Lori.“
Das Kind ließ ab und starrte den Ritter trotzig an. „Sie brauchen nicht so zu tun, als müsste ich Ihnen dankbar sein. Sie haben das Blut meines Vogels gekauft und halten mich gefangen. Das vergesse ich nicht.“ Noch während das Kind die Worte sprach, folgte es Herrn Terramar durch die Menge. „Das sollst du auch nicht vergessen. Ich möchte dir etwas zeigen. Und ich werde dir ein Angebot unterbreiten. Wenn du es ablehnst, bringe ich dich zurück nach Hause und gebe dich dann vor dem Gesetz frei. Wenn du annimmst, kannst du mein Besitz bleiben, aber nur auf dem Papier.“
„Welche Freiheit habe ich schon, so lange ich Ihnen gehöre und Sie mit mir tun und lassen können, was Sie wollen?“
Am Rande des Stroms aus Käufern, Händlern, Glücksrittern und derart fremdartigen Kreaturen, dass Lori sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, welche Ziele sie hier verfolgten, blieben sie stehen. „Ich erteile dir bei dieser Gelegenheit deine erste Lektion.“ Die Augen des alten Ritters funkelten, ob vor Vergnügen vor Zorn vermochte Lori nicht zu sagen. „Du bist immer frei, Kind. Hier oben bist du frei.“ Er löste eine Hand aus dem weiten Ärmel und deutete auf seine Schläfe. Lori schüttelte den Kopf. „Wir sind niemals frei. Der Sand der Wüste erstickt uns, wenn er will, und wird selbst nur vom Wind herumgewirbelt. Niemand ist jemals frei.“
„Du bist ein Kind deiner Ziehmutter und deiner Welt. Der Wind der Wüste bewegt sich, weil die Sonne die Luft wärmt und die Nacht sie kühlt, wenn der Planet sich dreht. Und eines Tages wird die Sonne sterben und der Planet vergehen.“
„Genau. Alles ist verbunden. Nichts und niemand ist wirklich frei.“
„Wer die Gesetze der Verbindung kennt und sie nach eigenem Willen lenken kann, ist wahrhaft frei. Das ist der Codex der Kwan.“
Sie hatten den Trubel des Marktes hinter sich gelassen und bogen in eine enge Gasse zwischen Schuppen und Lagerhallen ein. Eine ölige Flüssigkeit tröpfelte aus einem geborstenen Rohr. Lampenlicht von der Höhlendeche schwamm darin. Es stank nach Urin und Verwesung. Herr Terramar blieb stehen und zog eine Schlüsselkarte aus dem Gewand. Ein Schnarren ertönte, als er sie in den Schlitz neben einem Rolltor steckte. Ein Lämpchen sprang von rot auf grün und die Lamellen klapperten in die Höhe. Dahinter wartete Dunkelheit, kühle Luft und der Geruch nach nassem Stein, der Lori unbekannt war und das Kind mehr abstieß als der Gestank in der Gasse.
„Meine Dada hat mir von dieser Magie erzählt.“ Lori machte einen Schritt rückwärts, als der Ritter ins Dunkel des Lagerraums tauchte und vernehmlich nach einem Schalter tastete. „Wer sich außerhalb der Welt stellt, ist nicht frei. Er ist verloren. Nur wer gebunden ist, gehört zur Welt.“ Lori warf eine prüfenden Blick die Gasse hinunter und drehte sich halb zum Weglaufen. Das Gesicht des Ritters tauchte aus dem Dunkel auf. Er lächelte. „Ich merke schon, ich werde mit Freuden dein Lehrer sein. Wenn du möchtest. Schau!“
Mit einem Klacken erschien Licht, flackerte, verlöschte, flackerte erneut auf. Eine Riese erschien und verschwand, mit klobigem Kopf, hervorspringenden Augen, weit aufgerissenem Maul, zahnstarrend, die Brust wie zerklüftete Felsen, der Bauch eine opake Kuppel mit verschlungenen Lederinnereien, Beine wie Säulen aus Tragflächen und Füße wie Kampfpanzer.
Lori stand mit geöffnetem Mund in der Lagerhalle. Das Licht bleib bestehen. Die Maschine ragte bis unters Dach. Rostrot, mit gelben Streifen und blauen Akzenten. Herr Terramar entkorkte die Phiole, öffnete eine Klappe am Bein des Riesen und goss das Vogelblut hinein.
„Das ist mein Mecha. Sie heißt Seondeok. Ein elganter Name aus zivilisierteren Tagen.“ Der Ritter schloss die Klappe und klopfte zufrieden darauf. „Sie ist mein Transportmittel, meine Gefährtin und, wenn es sein muss, meine Waffe. Wir Kwan gehen bei der Weihe eine tiefe Verbindung mit unserem Mecha ein. Wenn Seondeok zerstört würde, wäre das auch mein Ende. Wir befahren die Galaxis und folgen dem Codex. Und dazu gehört, dass jede Welt, die wir besuchen, ein Teil von uns wird. Dein Vogel lebt nun in ihr weiter, Lori. Wie unzählige andere Wesen von unzähligen Welten, die wir bereist haben. Schon jetzt hat er sie verändert. Begrüße unseren Gast, Seondeok.“
Die vorspringenden Augen leuchteten auf. Lichtkegel richteten sich auf Lori. Ein Arm fuhr ächzend in die Höhe. Das Maul mit den Klingenzähnen kreischte und spie Funken und Dampf.
„SEI GEGRÜẞT, LORI.“