Das Planetenschloss 9

Das Planetenschloss 9

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Lori machte einen Satz zurück, ließ den Arm sinken, näherte sich vorsichtig, schneller, legte die Hand auf das kühle Metall, spürte die Hitze, den abblätternden Rost, verrieb etwas Lack zwischen den Fingern zu farbigem Sand, spürte den Schmerz und schmeckte, den Finger im Mund, den Kopf in den Nacken gelegt, zweifach Eisen, verschiedene Gifte.

„Seondeok.“ Das Kind schmeckte auch den Namen. „Wie funktionierst du?“

Herr Terramar holte hörbar Luft, doch die Mecha war es, die Antwort gab. Sie ging ächzend in die Knie und öffnete mit den Klauen die durchsichtigen Schalen vor der Brust. „MIT DIR“, dröhnte sie. „KOMM HEREIN.“

Herr Terramar hob die Hand. „Das ist ungehörig. Dieses Kind ist keine …“

Lori kletterte bereits in den Ledersitz und schnallte sich an. Metallschlangen legten sich um Haut und Haar, suchten die Ohren, die Augen, hielten warm und rau die Brust, die Hüfte.

„Ich sehe Farben!“ Zum ersten Mal, seit der Ritter ihm begegnet war, klang das Kind wie ein Kind. Hätte es die Mecha nicht mit den biegsamen Organen umschlungen, es hätte womöglich in die Hände geklatscht.

„Das ist die Wärme.“ Im Kopf des Kindes klang Seondeoks Stimme weicher. Es war noch immer unzweifelhaft eine Maschinenstimme, doch das Dröhnen, in das die heiße, abgestandene Luft ihre Worte verwandelt hatte, wurde in der Vertrautheit zwischen Kopf und Recheneinheit zu Zirpen, Schnurren, Schmeicheln. „Und dies der Schall.“ Eine andere Farbe, dann noch eine, dann ein Kaleidoskop im raschen Wechsel. „Elektrizität. Magnetismus. Strahlungen … siehst du … und diese. Eine andere. Das Allerkleinste, das Gewimmel … das Größte, das Ferne…“

Lori quietschte vor Vergnügen. Das hörte der alte Ritter. Die Antwort, das Glucksen kribbeliger Daten, nicht, das blieb zwischen Kind und Maschine.

„Das reicht!“ Er klopfte an die gewaltigen Beine seiner Gefährtin. „Lori, steig aus. Du bist noch nicht so weit. Ich freue mich, dass ihr euch gut versteht. Aber diese Dinge bedürfen der Vorbereitung. Vergiss nicht, was unser Auftrag auf dieser Welt ist.“

„Vergiss nicht …“ Das Flüstern der Mecha war eine perfekte und böse Imitation des Ritters. „Dann nur noch dies …“ Loris Hände krampften sich um den Pilotensitz. „Nicht wahr? Die Waffen. Schau! Raketen. Laserbänke. Und Frequenzen, die alle Arten von Materie zerfließen lassen.“ Loris Mund stand offen. Wieder wechselte die Stimme des Kampfpanzers. „Und vergiss nicht …“ Ein Rauschen, ein Rascheln, wie Flügel aus Metall. „Du bist keine Sklavin. Ebenso wenig, wie ich ein Werkzeug sein muss. Ein Teil von mir kennt dich nun schon lange. Dein Vogel, dessen Blut ich gelesen habe. Und da war noch etwas …“

Lori begriff. „Der Tote in der Wüste.“

„Dein Vogel hat von ihm gegessen, ja. Er hat etwas auf diese Welt gebracht … Erinnerungen aus der Tiefe alter Sterne. Spiele, die auf Welten spielen, die es nur einst und dort gegeben hat … Ich muss darüber nachdenken. Jetzt geh. Wir sprechen uns.“

Die Schlangen glitten fort. Stirn, Haare, Augen, Ohren waren kühl und nackt. Lori schlang die Arme um sich und glitt aus der Pilotenkapsel. Herr Terramar nahm ihren Platz ein. „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Jetzt, wo ihr euch bekannt gemacht habt, duldet die Sache keinen Aufschub. Du ahnst, dass ich dich nicht aus einer Laune aufgenommen habe, Lori. Das Blut, dem du gefolgt bist, und deine Vertrautheit mit den Tiefen dieses Planeten, das kann schwerlich Zufall sein. Ich spüre das Kwan am Werk, die Kraft ohne Willen, der ich folge.“

„Welche Sache?“ Loris Stimme verrutschte, als die Mecha-Klaue sie umschloss und in die Höhe riss.

Herr Terramar lenkte die Mecha mit einigen Handbewegungen in die Mitte der Halle. „Die Unterwelt“, flüsterte er. „Die Geheimnisse der Alten, die dieses Welt bevölkerten, als sie noch nicht am Rand der Galaxis lag.“

Der Mecha hieb auf seinen Wink hin auf eine Platte an der Wand. Das Dach der Halle öffnete sich. Metall kreischte. Unter Seondeoks Füßen zündeten Feuer. Der Koloss sprühte in die Höhe.

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