Das Planetenschloss 20
Die Zeit dehnte sich, während Seondeok die Kabine durch das Zwelicht nach oben wuchtete. Endlich erschien über ihnen eine meerblaue Scheibe, die rasch größer wurde, als die Mecha ihre Anstrengungen ächzend verdoppelte. Im Näherkommen erkannten die Gefährten, dass es sich bei der Scheibe um eine Luke handelte, die oberhalb des Fahrstuhlgetriebes den Schacht abschloss. Herr Terramar schob sich aus der Pilotenkanzel, und kletterte auf Seondeoks Schultern, um den Hebel in der Scheibe zu erreichen. Als er die Luke aufstieß, fuhr ihm frische Nachtluft ins Gesicht. „Komm!“ Er packe den Rand des Ausstiegs und wuchtete sich in die Höhe. Im Freien kniend rief er der Mecha zu: „Es ist wunderbar hier oben! Tatsächlich, ein Garten. Du solltest den Himmel sehen! Wir sind hier jenseits der Wolkendecke. Ein schwarzes Tuch mit unzähligen silbrigen Nadelstichen…“
„Sehr poetisch.“ Seondeoks blecherne Sprachausgabe verlieh der Bemerkung einen besonders sarkastischen Unterton. „Leider passe ich nicht durch. Und das Getriebe ist auch im Weg. Treten Sie zurück!“ Kaum war Herrn Terramars Kopf verschwunden, steckte sich die Mecha Lori unter den einen Arm und ballerte mit dem Geschütz im anderen Triebwerk und Luke weg. Noch während sich der Knall im Schacht ausbreitete, stieß sich Seondeok von der stürzenden Kabine ab und flog durch herabregnende Trümmerteile auf das Pyramidendach. Unter ihr schlug die Kabine im Fall gegen die Wände des Schachtes, verfolgt von einem Schauer aus brennendem, blakenden Plastik, aus Metall- und Glasfetzen, die helleres Trommelfeuer an den Wänden fabrizierten. Qualm stieg in die klare Nachtluft über der Wüste, über der sich, wie Herr Terramar versprochen hatte, in der Tat ein beeindruckendes Sternenzelt spannte.
„Was war das?“ Herr Terrama wagte sich einen Schritt vor und spähte in das ausgezahnte Loch.
„Was war was?“ Seondeok blickte ebenfalls in die Tiefe.
Herr Terramar fuhr sich über das Gesicht. „Nichts, ich … ich dachte, ich hätte etwas gehört. Einen Schrei. Vielleicht nur die Kabine, die an der Metallwand langschrappt.“ Er wandte sich ab und sah sich um. „Es sieht ganz so aus, als hätten die Erbauer der Pyramide uns den Weg vorgezeichnet. Na, dann wollen wir mal.“ Er ging den Weg aus kupferfarbenen Hexagonen hinunter, der in den blassgrünen Wald hineinführte. „Wie geht es Lori?“
Seondeok zirpte und folgte ihm. „Sie scheint sich in einer Art Stasis zu befinden. Keine normale Ohnmacht. Ihr Lebenszeichen sind verlangsamt, schwach, aber regelmäßig. Ihre Hirnströme zeigen an, dass sie träumt. Intensiv. Und bereits viel länger, als eine gewöhnliche Traumphase anhält. Sie scheint nicht so bald erwachen zu wollen.“
Herr Terramar bog die Zweige der ersten Pflanzen beiseite. Aus der Nähe war zu erkennen, dass es sich nicht um Bäume, sondern um gewaltige Farne handelte. Im Gewirr der fächerförmigen Blätter strebten Schachtelhalme mit weißgesprenkelten Knollenhüten in die Höhe, und korallenartige Bärlapppflanzen mit verzweigten Stummeln wie Tapirtatzen lauerten in Bodennähe. Der Sternenhimmel war verdeckt. Inmitten des urzeitlichen Waldes herrschte ein glosendes Dämmerlicht. Gewächshauswärme drückte die Wanderer. Seondeoks Bordsysteme fuhren automatisch Kanülen aus, die die Gelenke ölten, und der alte Ritter wischte sich wieder und wieder mit dem Ärmel über die Stirn. „Ich habe einen Verdacht, was Lori angeht. Und ich hoffe, dass das Wesen, das wir laut der Messdaten hier antreffen werden, uns darüber Auskunft geben kann.“