Das Planetenschloss 11
Lori stürzte. Die Kapsel im Bauch der Mecha mit dem entsetzten Gesicht des Ritters hinter dem zerkratzten Kunststoff trudelte in den Himmel. Die grünen Dreiecke sägte tiefer und tiefer im dunklen Violett. Lori raste auf den Erdboden zu. Ich werde sterben.
Gedanken wirbelten schneller als die Kämpfenden über ihr im Abend, unter ihrem nach oben gerichteten Blick. Wie wird sich der Aufprall anfühlen? Werde ich zerplatzen wie eine Ushima-Knolle? Es wird zu schnell vorbei sein. Ich werde Dada nicht wiedersehen. Und das alles wegen eines Metallvogels. Wegen dem bisschen Blut …Noch im Fallen stieg die Wut auf. Sie haben ihn mir einfach weggenommen. Und Dada. Dada hat ihn einfach getötet. Im Schwarz hinter Loris Augen trieben Flecken und Geißeltierchen. Der kalte Wind riss ihr an den Ohren wie das Brüllen dieser kleinen Wesen. Lori griff in Gedanken danach und zerrte das schwimmende Etwas und das Tosen zusammen. Wachse! Werde größer! Das Zucktierchen hielt inne, als würde es lauschen. Etwas fehlte.
Lori erinnerte sich, wie sie den Metallvogel ins Leben gerufen hatte. Er hatte auf dem Kunststofftisch im Bunker ihrer Ziehmutter gestanden, ein absurdes Relikt aus fernen Tagen auf diesem Planeten, vielleicht ein Impulskauf oder eine Dreingabe von durchreisenden Kabuki. Der Bunker war sonst schmucklos, eine Höhle aus Beton, Plastik und Polymerschaum, in dem nur das Lebensnotwendige und Hexenwerkzeug seinen Platz fand: Wurmzähne, Quellerblätter, Skorpione aus Kranklicht in schlanken Behältern voller Alkohol, Krallen gläserner Löwen, an Schnüren aufgereiht …
… Glaslöwen. Der Gedanke hakte sich in Loris Kopf fest. Der Metallvogel. Lori hatte ihn angestarrt und gewünscht, dass er lebendig wäre, so lange und so fest, bis Blut aus der Handfläche gequollen war, in die sich die Fingernägel gegraben hatten. Das Blut. Für das, was Lori vorhatte, brauchte es die Energie von Wasser, dem seltenen, uralten und in den Tiefen verborgenen Element des Planeten. Und das einzige Wasser weit und breit befand sich in Lori.
Ein Biss auf die Zunge, der Geschmack von Eisen, ein heller Schmerzblitz und dumpfes Pochen. Komm, Löwe. Komm. Das sprudelnde Wasser zerrte Amöbentierchen hinter den Lidern und Brüllen in den Ohren zusammen. Lori schmiss das Knäul aus Bild, Geräusch, Kraft und Schmerz von sich. Es trudelte zu Boden, schlug pulvrig auf und entfaltete sich, ohne, dass Lori hinschauen musste, zu schwarzen Blättern voller Augen, Fell, Schwänzen, Zahnreihen und drei, vier, sechs gelbgleißenden Augen. Der Glaslöwe, den Lori gerufen, nein, erschaffen! Ich habe den gemacht, ich ….
Der Löwe brüllte. Sand und Nacht schimmerten violett, schwarz, grün durch das rauchige, vielfach gefaltete Glas, das seine Gestalt ausmachte. Lori breitete die Arme aus und fiel in seinen aufgesperrten Rachen, vorbei an gesplitterten Hauern aus todblitzenden Glasschrunden, über die glatte, eiseharte Zunge, in den Bauch voll sandfeinen, myriadenschneidenden Körnchen, die sie Fleisch, zu Blut, zu Knochenmehl, zu kristallisierter Zeit zermalmen würden.