Das Planetenschloss 14

Das Planetenschloss 14

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Die Mecha sauste über den Sand wie ein Raubvogel, das schlaffe Kind in den Pranken. Das Schloss blieb am Ende der Welt zurück. Der Flug führte in die Tiefe der Nacht, zu grünen und violetten Sternen. Herr Terramar saß in der Kuppel und steuerte. „Als würde man tauchen“, murmelte er. „Dorthin, wohin kein Licht mehr dringt, zu blinden Fischen mit Leuchtködern und Geheimnissen, die längst vergessene Übeltäter verbergen wollten.“

Seondeok zirpte. „Was sagt Ihr?“

„Nichts.“ Der alte Ritter wischte sich über die Augen. „Wie weit noch?“ Eine kaum wahrnehmbare Pause, in der nur die Mecha-Triebwerke dröhnten. „Eine gute Stunde, bei diesem Tempo“, verkündete Seondeok. Herr Terramar legte einen Schalter an der Decke um. „Flieg, so schnell du kannst. Wie geht es unserem Schützling?“

„Die Biodaten sind schwach, zeigen aber regelmäßige Funktionen an. Lori geht es den Umständen entsprechend gut.“

Im Licht aus den Schweinwerferaugen der Mecha stoben am Grund Riesenfaultiere auseinander und gruben sich eilig mit dem unteren Armpaar ein, während sie mit dem oberen Drohgebärden vollführten. Herr Terramar schmunzelte. „Diese Welt! Ein Fiebertraum.“

„Sie ist der Fiebertraum der Alten.“

„Wohl war. Und am Fieber der Schöpfung sind sie letztendlich zugrunde gegangen. Ich bin gespannt, was uns bei dieser Pyramide erwartet.“

„Wenn dort wirklich ein Engel gefangen ist, müssen wir uns vorsehen.“

„Das stimmt. Und doch ist es eine Chance. Die letzte für das Kind und … eine seltene Chance für dich und mich.“

Erneut herrschte Stille bis auf das Heulen der Triebwerke. „Ihr meint, Ihr wollte eine Probe erbeuten? Engelsblut? Für mich?“

„Warum nicht?“

„Mir fallen Gründe ein.“

„Warten wir es ab. Mehr Tempo, bitte.“

Das Heulen schraubte sich in die Höhe. Loris Gliedmaßen begannen zu flattern, bis Seondeok im rascheren Flug schützend auch die zweite Pranke um sie legte.

Endlich zeichnete sich ein schimmerndes Dreieck in der Finsternis ab. Herr Terramar beugte sich vor und kniff die Augen zusammen, obwohl ihm die Messegeräte bereits verraten hatten, dass sie sich dem Ziel näherten.

Die Pyramide gewann Konturen, als würde die Nacht sie schüchtern vorzeigen. Ihr Schwarz glich dem der sonnenlosen Wüste, war aber samtiger, tiefer und von einer Festigkeit, die vor Anspannung zitterte und also nachgeben konnte. Sie hing in der Luft, wie von der Kälte gehalten, die Spitze gen Boden gerichtet, die Basis parallel zur Himmelskante, und ein kleineres, weiß brennendes Dreieck behauptete sich gegen die Sterne als herrschsüchtiger Schlusstein: die Kristallkrone, die niedergeworfen oder absichtsvoll vom Firmament abgekehrt war, als Insignium der Macht über das Unten.

Seondeoks Sensoren ertasteten die Lichtwellen in den Untiefen des Spektrums und flog die diamantförmige Öffnung nahe der Kristallspitze an. Sie drehte sich im Niedergehen und setzte mit den Füßen auf. Ringsum befand sich eine Kuppel aus beständig fließender Finsternis, die mit Andeutungen von Licht übereinanderlief, nur um den Silberhauch mit dem Nacheilen einer neuen schwarzen Zunge zu ersticken. Die Scheinwerferaugen der Mecha stemmten sich der herabrinnenden Schwärze entgegen. Seondeok zitterte. Zischend öffnete sich die Kapsel. Herr Terramar schwebte ins Freie und landete im Federfall dort, wo Lori aus den Mecha-Klauen zu Boden sank. Sie trieb abwärts, eine Atemwolke aus purpurschwarzem Nadelgestöber vor dem Mund. Der alte Ritter glitt mit ihr auf dem Arm dahin, die sich überlappenden Zungen unsichtbarer Nacht eine Handbreit unter den Füßen.

„Ich bin Herr Terramar von der Linken Hand!“ Seine Stimme hallte von den strömenden Wänden wieder und trudelte in vielen Splittern davon, bevor sie versank. „Ein Ritter des Kwan und Diener seiner Ordnung. Bei mir ist meine Mecha, Seondeok, aus der Baureihe der Silla. Wir erbitten Hilfe vom Herrn der schwarzen Pyramide, denn meine Sklavin droht an ihrer Kraft zu sterben.“

Aus der stetigen Abfolge von Lichtlosigkeiten stieg ein Weiß, das heller war, als Seondeoks Scheinwerfer. Die Nachtzungen flohen geräuschlos und ohne Geschwindigkeit. Das Gesicht, groß wie die Mecha, hing in Kälte, durchzogen von Flackern und dahintreibenden Löchern. Schön war es und schrecklich, die Augen wie ausgefetzte Leere, die durch etwas starrten, das erkennbar nur eine Maske war. Haut, Haare und Zähen waren von bläulichem Weiß und sangen mit vielen Stimmen. Tränen aus heißester Glut rannen dem Haupt über die Wangen, und sie hatten die Farbe der Blindheit, die das Starren in die Sonne hervorruft.

„Sklavin oh! Wind. Der Atem dieser Welt, ein und aus. Ich bin, der ich bin, der diesen Atem trinkt von den rissigen Lippen der Wüste, des Todes, der Ruinen der Worträuber, der Alten. GatTinBulKot.“

Der Name zischte in allen Nachtflammen, die die Kuppel überflossen.

„Sei gegrüßt, GatTinBulKot.“ Herr Terramar wandte den Blick nicht vom Brand in der Schwärze, der das Antlitz mit der Leere dahinter war. „Ich sehe, dass du gefangen bist. Ich bedauere deine Qual. Wirst du uns helfen?“

Unablässig weinte der Engel sein Licht in die Finsternis. „Dein Sklave, Ritter, ist Herr und Herrin dieser Welt und aller Welten und des Urgrunds dieser Welten und aller Welten. Vernimm die Wahrheit: Du bist und deine Mecha und das Kwan und dies Gefängnis, dessen Schlüssel und Schloss dieser Herr und diese Herrin ist, ja selbst ich, als Erstgeborenes des Geflohenen und in Ketten Geschlagenes der Alten, die ihn in die Flucht schlugen, bin sein und ihr Knecht und Staub unter seinen und ihren Füßen. Denn siehe, sie und er ist das Wort des Lebens, das Fleisch geworden ist in ihr. Ich verkündige dir großen Schrecken und das Ende aller Tage, denn das Blut des Geflohenen ist auferstanden, in Ewigkeit, hat´ion, hat´ion, hat´ion!“

Herr Terramar wankte, aber fiel nicht. „Wirst du uns helfen, GatTinBulKot? Sprichst du Heilung aus deinen Fesseln, damit dieses Kind, das ein Wort ist, wie du sagst, leben kann?“

Die Maske aus Licht riss die schön geschwungenen Lippen auf, weiter und weiter, bis die Leere hinter dem Licht aus dem Maul quoll. „Wehe! Niemand vermag das Wort dieses Wortes, den Namen dieses Namens auszusprechen als sie und er selbst. Ich aber will es euch zu Füßen legen, wenn ihr mir ein weiteres Wort gebt, euer Wort.“

„Was verlangst du?“

„Nichts. Das ewige, weiße, weite Nichts. Denn wenn der Name seinen und ihren Namen spricht, reißt die Welt und birst und ich und alle kommen frei, um endlich vernichtet zu werden.“

Aus dem geblähten Lichtmaul stürzte Schwärze, fädenziehend umhüllt von Nichts, zu Boden und blieb atmend im schwarzen Zungenfluss liegen.

„Der Name“, wisperte GatTinBulKot. „Das Kind muss ihn sprechen, um zu leben.“

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